2001 bat-Studiotheater Berlin

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Mistingue

"Die Affäre Rue de Lourcine"
von Eugené Labiche

Deutsch von Elfriede Jelinek, Regie: Milena Paulovics
Lied-Einstudierung: A. Hoffmann
Premiere 22. Juni 2001, 8 Vorstellungen bis 6.Oktober 2001

mit
Heike Jonca, Sigurd Bemme
Matthias Friedrich, Markus Schoenen

 

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Ein Mord sorgt für gute Laune

Die Farce rutscht nicht in die Klamotte ab.„Die Affäre Rue de Lourcine“ 
von Eugéne Labiche im bat-Studiotheater

VON PETER HANS GÖPFERT

Prima! Hier hat das bat-Studiotheater der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ zum Sommeranfang und Spielzeitende noch eine flüssige Komödie herausgebracht. Die Diplominszenierung von Milena Paulovics hebt die Gute Laune beträchtlich.
Die Geschichte, die Eugéne Labiche in „Die Affäre Rue de Lourcine“ erzählt, könnte verrückter nicht sein. Der Rentier Lenglumé (Sigurd Bemme) findet eines Morgens einen Kameraden aus frühen Schülertagen (Werner Ziebig) im Bett. Die beiden waren am Abend zuvor bei einem Klassentreffen nach Steinbutt und Salat so gründlich blau, dass sie sich nicht erinnern, was danach passiert ist. Zweifacher Blackout! Und da tauchen in ihren Hosentaschen seltsame Fundstücke auf: ein blondes Haarteil, ein Mädchenschuh, ein Häubchen und veritable Kohlestücke. Und als nun Lenglumés sehr kritisch pikierte Gemahlin versehentlich aus einer - wie keiner bemerkt - uralten Zeitung den Bericht von der Ermordung einer Kohlenträgerin vorliest, müssen die beiden Schwerenöter annehmen, sie selbst hätten die düstere Tat gemeinsam vollbracht. Ein Cousin der Familie (Matthias Friedrich) als vermeintlicher Tatzeuge, der Hausdiener (Markus Schoenen) als womöglicher Mitwisser verschlimmern die Sache noch. Die beiden Kameraden stecken in der Bredouille und sind nun tatsächlich zum Doppelmord entschlossen. Am Ende ist aber nur die häusliche Mieze mausetot. Wenn sie nicht nur markiert.
Wie schon vor Jahren Klaus Michael Grüber, der an der Schaubühne ebenfalls die Übersetzung von Elfriede Jelinek benutzte, studiert auch Milena Paulovics nicht gar zu penibel die Abgründe, die sich in der Seele des Bourgeois und Spießers auftun. Auch bei ihr weht ein Luftzug von Surrealität durch den vieltürigen Salon. Alle Figuren sind mit einem närrischen Virus infiziert.
Milena Paulovics lässt die Farce nicht in die Klamotte rutschen. Manchmal hält die aufgekratzte Handlung in hübschen kleinen Couplets inne. Und im bürgerlichen Alptraum irren die Figuren choreographisch wohlsortiert durchs Gelände.

Die kleine Aufführung im Studiotheater besitzt, bei aller Absonderlichkeit und Lust am Seltsamen, einen exakten Rhythmus. Die Szenen und Figuren sind in minutiöser Detailliebe gezeichnet. Mit Eleganz wird die gedeckte Tafel hereinmanövriert. Und beim anschließenden Menu kommt Madame (hübsch kapriziös, aber auch ganz schön wut-flammend: Heike Jonca) regelmäßig zu kurz. Dafür langen die beiden Delinquenten umso kräftiger zu.